35 Jahre heimatec
Von 0 auf 100 und mehr Mitarbeiter
Im Herbst 1987 hatte Martin K.H. Krieger die heimatec Automations- und Spannsystem gegründet. Damals hatte er das Ziel der Herstellung von Trägerwerkzeugen für Wendeschneidplatten. Seither sind 35 Jahre vergangen und es hat sich einiges getan.
Herr Krieger berichtet in seiner offenen und positiv eingestellten Art über seine Erlebnisse und Erfahrungen.
Herr Krieger, wie kommt man auf die Idee sich selbstständig zu machen?
Die Selbständigkeit wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt.
Spaß bei Seite. Meine Eltern hatten einen Zulieferbetrieb für Drehteile und da meine Geschwister wenig Interesse an der Fortführung des Geschäfts hatten, viel das Los auf mich. So habe ich eine Ausbildung als Werkzeugmacher (heute nennt sich das Industriemechaniker) gemacht und danach ein Jahr in einer Schweizer Maschinenbaufirma gearbeitet, bevor ich in den elterlichen Betrieb mit einstieg.
Aber heimatec hat doch eine andere Ausrichtung als der Betrieb Ihrer Eltern. Hat sich das Business in den Jahren gewandelt?
Ja und nein. Sicherlich hat sich in allen Bereichen das Business über die letzten Jahrzehnte geändert. Die damalige Firma meiner Eltern besteht heute immer noch mit der damaligen Ausrichtung – nur nicht mehr in unserem Besitz.
Früh wusste ich, dass ich nicht auf Dauer nur Zulieferer für die Großindustrie sein möchte und sah und hörte mich auf dem Markt um, mit welchem eigenen Produkt ich Fuß fassen kann.
Haben Sie solch ein Produkt gefunden?
Ich dachte es ursprünglich und konstruierte ein modulares Trägerwerkzeugsystem für Wendeplatten. Ich war von meiner Idee auch so überzeugt, dass ich direkt einen Gebrauchsmusterschutz beantragte. Doch als ich mein Produkt an den Mann bringen wollte, wurde ich eines Besseren belehrt.
Schade eigentlich. Dennoch besitze ich heute noch mit Stolz die Konstruktionen, Zeichnungen sowie Musterplatten von damals.
Und wie ging es dann weiter?
Auf Geschäftsreisen im Austausch mit den potenziellen Kunden, die mir alle gesagt hatten, dass sie kein modulares Trägerwerkzeugsystem für Wendeplatten benötigen, wurde mir innerhalb von wenigen Tage gleich von zwei Firmen gesagt, dass sie angetriebene Werkzeuge benötigen. Das war 1988.
Ich, damals mit 30 Jahren, wusste nicht, was angetriebene Werkzeuge sind. Aber wie so oft in meinem Leben kam der Zufall verbunden mit Glück und den richtigen Kontakten zusammen und ich fand einen selbständigen Konstrukteur, der mir innerhalb weniger Stunden erklärte, was angetriebene Werkzeuge sind und mir wurde klar, dass das mein Zukunftsgeschäft sein kann.
Noch am gleichen Tag besiegelte ich die Zusammenarbeit mit dem Konstrukteur.
War das für Sie der Ausstieg aus der elterlichen Firma?
Noch nicht. Denn ich musste meine „Spinnereien“ ja finanzieren. Endlich hatte ich einen Interessenten gefunden, der für seine Maschine einen y-verstellbaren Querfräskopf wünschte und mir zusicherte, dieses Werkzeug auf der EMO Hannover 1989 auszustellen. Mit Hochdruck wurde konstruiert, Einzelteile beschafft, damit ich dann in 42 Stunden ohne Unterbrechung mein erstes Werkzeug montieren konnte, um es rechtzeitig auf der EMO präsentieren zu können.
Doch das war der größte Flopp. Als ich in Hannover ankam, war mein Werkzeug nicht auf der Maschine montiert, sondern lag irgendwo im Regal. Frustriert nahm ich das Werkzeug direkt mit nach Hause und kümmerte mich selbst darum, Kunden zu finden. Der nächste und erste Kundenauftrag war ein Winkelbohr- und Fräskopf mit einem Winkel von 87 Grad – ein absolutes Sonderwerkzeug.
Nach und nach kamen weitere Kleinaufträge für Sonderwerkzeuge rein und die Anzahl der Kunden erhöhte sich. Allerdings reichte es noch nicht, um davon zu leben. Ich hatte den externen Konstrukteur, die Einzelteile kauften wir zu und in den späten Abendstunden und am Wochenende kümmerte ich mich mit Aushilfen um die Werkzeugmontage und -auslieferung, was damals noch in einer Werkstatt in Ohlsbach stattfand. Als Haupttätigkeit war ich weiterhin Gesamtbetriebsleiter im elterlichen Betrieb, den ich erst 1995 verkaufte.
Ab wann konnten Sie mit heimatec grüne Zahlen schreiben?
Ein genaues Jahr ist schwer fest zu machen. So wie ich Geld verdient habe, wurde es auch wieder investiert.
Aber es kamen die ersten Großkunden, die wir teilweise immer noch haben und mit den steigenden Aufträgen kam es 1992 zu den ersten Festanstellungen. Das Schöne daran ist, dass meine ersten vier Mitarbeiter teilweise noch in der Firma sind und die anderen beiden bis zu ihrem Renteneintritt vor wenigen Jahren der Firma die Treue hielten.
Zwei Jahre später erweiterte ich dann auf Drängen des mittlerweile eigenen Konstruktionsleiters unser Produktportfolio um Standardwerkzeuge. Um nicht ausnahmslos von Zulieferern abhängig zu sein, entschlossen wir uns 1997 eine eigene Fertigung aufzubauen. Mit dem Weiteraufbau der Fertigung kam es 1999 zu einem dritten Standort, in dem dann die Fertigung untergebracht war. Immer wieder erweiterten wir den Maschinenpark und die Anzahl der Mitarbeiter.
Sie sind Renchen all die Jahre treu geblieben. Gibt es einen speziellen Grund und was schätzen Sie an Renchen?
Ich bin bereits in Renchen, als wir sogar noch ein Krankenhaus am Ort hatten, geboren und möchte die Klein-Stadt nicht missen. Renchen bietet die Versorgung einer Stadt mit Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten, Kindergarten, Schule, Freizeiteinrichtungen, etc. Auch das Vereinsleben bietet vielfältige Möglichkeiten und mit rund 7.500 Einwohner kennt man sich und verschwindet nicht in der Anonymität.
Außerdem ist unsere Region wunderschön. Am Rande des Schwarzwalds, umgeben von Weinbergen, Obstwiesen und unberührter Natur und dennoch sind wir zentral gelegen und gut erreichbar.
Wann und wie sind Sie dann zum heutigen Standort in die Carl-Benz-Straße gekommen?
Es war mal mehr oder weniger Zufall. Ich habe Ende 2004 erfahren, dass der Vorbesitzer mit seinem Geschäft an einen anderen Standort zieht und habe daraufhin das Gespräch gesucht. Bald waren wir uns einig und so bauten wir die Räumlichkeiten für rund 1 Mio. Euro nach unseren Anforderungen um und bezogen Anfang Dezember 2005 mit damals 42 Mitarbeitern unsere heutigen Räumlichkeiten vorerst zur Miete. Dieser Schritt war eine große Erleichterung alle Geschäftsbereiche zentral an einer Stelle zu haben.
2008 – zu dem Zeitpunkt hatten wir bereits über 100 Mitarbeiter - ergab sich dann die Möglichkeit das 30.000 qm große Gelände inkl. Firmengebäude zu erwerben. Mit der Fläche war klar, dass der Standort auch noch für die Zukunft Erweiterungs-Möglichkeiten bietet.
Haben Sie bereits von den Erweiterungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht?
Ja, vor gar nicht allzu langer Zeit. 2019 startete der Bau unserer neuen, 2.500 qm großen Produktionshalle. Somit war die Hauptbauphase mitten in der Corona-Krise. Trotz allen negativen Prognosen zogen wir das Projekt ohne Unterbrechung durch und investierten 10 Mio. Euro in die Zukunft. Seit Ende 2020 ist die Halle fertig gestellt und der Maschinenpark entsprechend aufgebaut, sodass produziert werden kann. Zusätzliche Produktionsanpassungen und -erweiterungen sind vorgesehen.
Im Nachhinein muss man sagen, dass wir für den Bau keinen besseren Zeitpunkt hätten finden können. Einerseits wurde aufgrund der Krise und Kurzarbeit durch den Bau der laufende Betrieb nur wenig gestört, andererseits waren damals die Baukosten noch in einem finanzierbaren Rahmen.
Sie sprachen von der Corona-Krise. Spüren Sie noch die Auswirkungen? Haben Sie bereits ähnliche Krisen durchgemacht?
Auch wenn wir 2020 mehrere Monate in Kurzarbeit waren, mussten wir damals glücklicherweise kein Personal entlassen. Wir waren recht schnell wieder auf Normalniveau und können zurzeit einen guten Auftragseingang verzeichnen. Ob das alles so kommen hätte müssen, steht auf einem anderen Blatt.
Dass wir nach zwei Jahren bereits die nächste Krise bevorstehen haben, ist erschreckender. Ich bin gespannt, welche Auswirkungen die Energiekrise auf unseren Betrieb hat. Dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir auch hier wieder Wege finden werden, diese durchzustehen.
Viel schlimmer traf uns die Krise 2009. Damals kam es für uns nicht nur zu Umsatzeinbußen. Donnerstag, 7. Mai 2009 war der schlimmste Tag in meinem Leben. Ich musste damals 45 Mitarbeiter, fast die Hälfte, entlassen. Auch wenn ich unternehmerisch nicht anders konnte, machte es mir persönlich noch lange zu schaffen. Ende 2010 kehrte im Betrieb langsam wieder etwas Normalität und Stabilität ein.
Herr Krieger, neben den Tiefpunkten haben Sie doch sicherlich auch ein paar Highlights erlebt.
Eigentlich ist jeder Tag ein Highlight, wenn man an seinem Unternehmen Spaß hat und sich auf die täglich wechselnden Herausforderungen freut, auch wenn die nicht immer einfach sind. Dann wird ein Unternehmen auch zum Hobby.
Ich stecke viel Herzblut in meine - unsere Firma und bin gerne im Austausch mit unseren Mitarbeitern und Kunden. Sicherlich läuft nicht immer alles rund, aber die Dinge vergesse ich auch schnell wieder.
Der Ausbau unseres globalen Handelsnetzwerk (Asien, USA, Indien, Russland etc.) ist ein Punkt. Aber auch jede Inbetriebnahme einer zusätzlichen Maschine ist ein Moment, der in positiver Erinnerung bleibt.
Auch die Präsentation unserer Neuheiten auf witzige Art und Weise im Jahr 2010 lässt mich schmunzeln, wenn ich daran zurückdenke.
Aber so zwei, drei persönliche Highlights habe ich:
Als unser Sohn und zukünftiger Nachfolger Kay 2013 das erste Mal das Firmengelände betreten und Interesse an der Firma bekundet hat, habe ich mich riesig gefreut. Als er fünf Jahre später dann definitiv mitteilte, die Firma fortführen zu wollen, wusste ich, dass sich der Einsatz der Vorjahre rentiert hat. Auch die Chance das heutige Firmengelände kaufen zu können, ist einer meiner Höhepunkte.
Und mit welchen Herausforderungen hat ein Unternehmen in Ihrer Größe zu kämpfen?
Wir haben mittlerweile 125 Mitarbeiter und sind weiter am Wachsen. Wie vermutlich alle kämpfen wir mit den aktuellen Preisentwicklungen und dem Mangel an Fachkräften.
Außerdem befinden wir uns aktuell in einem Strukturwandel. Einerseits ist die Zeit schnelllebiger geworden, die durch Themen wie Digitalisierung und Industrie 4.0 vorangetrieben werden, andererseits haben wir die Mitarbeiterschwelle von 100 Mitarbeitern erreicht, sodass gewisse Abläufe und System angepasst werden. Bei diesen vielen Veränderungen immer alle Mitarbeiter mitzunehmen, ist eine große Aufgabe.
Da waren damals die Umstellung von Schreibmaschine auf PC, die Nutzung von Mobiltelefonen oder Fax ein Klacks.
Was würden Sie anders machen, wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten?
Gut, dass ich das nicht kann. Sicherlich fragt man sich manchmal, warum bin ich auf die Idee nicht früher gekommen. Aber ich will nicht meckern. Ich bin stolz, wo heute unsere Firma steht und zu was sie geworden ist. Wir haben es geschafft, Krisen zu überstehen und sind aus meiner Sicht so aufgestellt, dass wir im Worst Case auch weitere Krisen meistern würden (auch wenn ich darauf verzichten kann).
Aber all das ist nicht mein Verdienst. Wir haben ein Riesenglück mit unseren Mitarbeitern. Wie so oft hatten und haben wir die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt. Ich bin froh, dass die aktuelle Mannschaft bereit ist, mit uns neue Wege zu gehen und uns in die Digitalisierung zu begleiten. Durch diesen Elan werden auch die „zögernden“ Mitarbeiter mitgezogen auf dem Weg in die Zukunft.
Was geben Sie Ihrem Sohn Kay mit für die Zukunft?
Er soll so weitermachen wie bisher. Wichtig dabei ist es, dass er seinen eigenen Weg findet und seine eigenen Fußstapfen hinterlässt. Ich freue mich zu sehen, dass er Dinge anders macht. Dabei hat er meine Rückendeckung und mein Vertrauen.
Ich hoffe weiterhin, dass er auch zukünftig von den richtigen Leuten umgeben ist, um unser Familienunternehmen weiterzuentwickeln und voranzutreiben.
Wenn er Fragen hat, werde ich ihm immer mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Planen Sie bereits Ihren Ruhestand?
Planen ja, aber wann es soweit sein wird, steht noch in den Sternen. Ich werde der Firma garantiert noch ein paar Jahre treu bleiben, auch wenn ich nach und nach etwas kürzer treten werde.